März 2006 Newsletter
Privatbericht von Uschi Kirchner & Joe Walter aus Namibia
Wir versenden unsere Newsletter nicht regelmässig sonder nur wenn es etwas zu berichten gibt.

Namibias Bäche und Flüsse führen Wasser

Seit Ende Dezember 2005 erfreut sich unser trockenes Land über regelmässige und aussergewöhnlich ausgiebige Sommerregenfälle. Die Freude ist nicht nur bei Namibias von Dürre geplagten Farmern gross. In der Hauptstadt Windhoek herrscht nach heftigen Gewitterschauern regelmässig eine Art Volksfeststimmung. Jung und Alt strömen in grosser Zahl zum Klein Windhoek Revier (oder zu anderen Flussbetten im Stadtbereich) um die herankommende Wasserflut im sonst trockenen Flussbett zu erwarten. Auf Südwesterdeutsch heisst es dann "Das Revier kommt ab!“. Besonders eifrige Flutwellengucker fahren zuerst zur Brücke an der Ausfahrtstrasse zum Flughafen. Sobald die Wassermassen unter der Brücke durch gerauscht sind">

März 2006 Newsletter
Privatbericht von Uschi Kirchner & Joe Walter aus Namibia
Wir versenden unsere Newsletter nicht regelmässig sonder nur wenn es etwas zu berichten gibt.

Namibias Bäche und Flüsse führen Wasser

Seit Ende Dezember 2005 erfreut sich unser trockenes Land über regelmässige und aussergewöhnlich ausgiebige Sommerregenfälle. Die Freude ist nicht nur bei Namibias von Dürre geplagten Farmern gross. In der Hauptstadt Windhoek herrscht nach heftigen Gewitterschauern regelmässig eine Art Volksfeststimmung. Jung und Alt strömen in grosser Zahl zum Klein Windhoek Revier (oder zu anderen Flussbetten im Stadtbereich) um die herankommende Wasserflut im sonst trockenen Flussbett zu erwarten. Auf Südwesterdeutsch heisst es dann "Das Revier kommt ab!“. Besonders eifrige Flutwellengucker fahren zuerst zur Brücke an der Ausfahrtstrasse zum Flughafen. Sobald die Wassermassen unter der Brücke durch gerauscht sind, springt man geschwind ins Auto und fährt zur nächsten Brücke um dort die herannahende Flutwelle erneut zu bestaunen. Auf diese Weise kann man die Flutwelle mehrere Male heranbrausen sehen. Für den mit Regen verwöhnten Europäer sind diese Ereignisse schwer nachvollziehbar, jedoch muss ich zugeben, auch ich, obwohl in Deutschland aufgewachsen, werde jedes Mal von dieser Regenwetter Hochstimmung erfasst und kann es kaum erwarten endlich loszufahren und zu sehen wie die Flutwelle ankommt. Sämtliche Strassen die der Fluss überquert werden für den Verkehr gesperrt, denn selbst in Namibias Hauptstadt gibt es nicht überall Brücken. Kinder und Jugendliche springen übermütig in die Fluten und toben im rotbraunen Wasser. Einige Stunden später ist alles vorbei, das Wasser läuft ab und das Flussbett ist wieder trocken, wie die meiste Zeit des Jahres.

Tagesgespräch "Regen"

Sie können sich vorstellen, dass es während der vergangenen drei Sommermonate in Namibia nur ein wichtiges Thema hab: Den Regen! Was könnte es in der von Wüste dominierten Landschaft auch wundervolleres geben als ausgiebige Niederschläge? Schon früh am Morgen führt der erste Gang zum Regenmesser um festzustellen wie viel es in den letzten Stunden geregnet hat. Im deutschsprachigen Radiosender melden Zuhörer aus allen Landesteilen wie viele Millimeter Regen gefallen sind. Fast täglich wird der Wasserstand von Namibias Stauseen durchgesagt. Namibias deutschsprachige Zeitung veröffentlicht die schönsten Regenbilder dieser Saison. Besonders spektakuläre Aufnahmen findet man in Farbe auf der ersten Seite abgebildet.

Naturereignisse

Den Regenmeldungen folgen andere durch den Regen ausgelöste Ereignisse. Der Wandel der kargen, meist von der Sonne versengten Vegetation ist am dramatischsten. Vom Süden des Landes wird gemeldet, dass auf fast 100 ha Farmland (das ist 1 Quadratkilometer) Millionen von Amaryllis Lilien erblüht sind - ein prächtiges Naturschauspiel, welches nur wenige Tage andauert und nur alle paar Jahre einmal vorkommt. Nördlich von Okahandja schiessen nach günstigen Bedingungen die wohlschmeckenden und beliebten Omajowapilze am Fusse stattlicher Termitenhügel empor. Wildtiere, Insekten und der Mensch wetteifern darum diese Delikatesse zu ernten. Wer früh zur Stelle ist bekommt den Lohn. An sonst steinigen, öden Stellen in der Wüste wächst plötzlich ein grüner Grasteppich und Springböcke, Oryxantilopen, Zebras und andere Tiere wandern in grosser Zahl dort hin. Dies ist die rare Gelegenheit, Namibias Landschaft üppig und grün zu erleben und es ist ein absolutes MUSS einen Ausflug ins Grüne zu unternehmen.

Fahrt ins Grüne

Wir haben nur ein paar Tage Zeit. Die Menschenmassen fahren ins Sossusvlei um den grossen See inmitten der Sandwüste zu bewundern. Wir entschliessen uns zu einer Fahrt in einsame Gebiete in nordwestlicher Richtung. Am Strassenrand, hinter Windhoek steht das Gras hoch, sodass bestenfalls die aufgestellten Schwänze von rennenden Warzenschweinen zu sehen sind, die den Grasstreifen durchqueren. Die während der Regenzeit geborenen Ferkelchen sieht man nur, wenn sie zusammen mit dem Muttertier über die Fahrbahn rennen. Auf den Farmen reicht die Weide den Rindern bis zum Bauch – ein seltener hoch erfreulicher Anblick. Wildtiere wie Kudus, Springböcke, Zebras und Orxyantilopen sind im dichten Buschwerk gut getarnt.

Seltene Reptilien

In Omaruru biegen wir ab auf die Schotterstrasse nach Uis. Ein Chamäleon überquert vor uns die Strasse. Wir stoppen das Fahrzeug. Das Chamäleon guckt uns mit seinen stark nach aussen gewölbten, sich ringsum drehenden Augen an. Sein Körper wird grösser und färbt sich dunkler. Dies ist die Drohgebärde mit dem das Chamäleon seine Feinde einschüchtert. Wir sind fasziniert. Rasch läuft es zum sicheren Strassenrand hinüber. Wir fahren weiter. Kurz darauf stoppen wir wieder. Eine sehr kleine, hübsch gezeichnete Schildkröte überquert eilig die Fahrbahn und verschwindet im hohen Gras. Diese interessanten Reptilien sieht man sonst äusserst selten. Sie sind während der feuchten Jahreszeit aktiv.

Paradiesische Landschaft

Hinter dem Städtchen Uis biegen wir von der offiziellen Schotterstrasse ab und fahren auf einer schmalen Spur auf den Fuss des gewaltigen Brandberg Massivs zu. Ein sanfter Grünschimmer liegt über den steilen Hängen der Vorberge. Gewaltige Kumuluswolken türmen sich hoch über den Gipfeln auf. Die Luft ist klar und die kahlen Felswände scheinen zum greifen nah. Der Berg wirkt noch attraktiver als sonst. Wir durchqueren eine Ebene wo die Gräser bereits blühen. Ein leiser Wind streicht durch die Halme und lässt die Fläche wie silberne Meereswellen wogen. Von links trabt eine Gruppe Bergzebras heran. Die Herde stoppt und die Zebras blicken neugierig zu uns herüber. Gelb leuchten die unzähligen kleinen Blüten des Morgenstern, Tribulus terrestris, und bilden einen heiteren Kontrast zum tiefblauen Himmel.
Am unteren Ende einer Geröllrinne parken wir unseren Land Rover. Zu Fuss steigen wir bergauf. Es ist heiss und schwül. Immer wieder verharren wir im Schatten grosser Felsblöcke. Wir wischen uns den Schweiss von der Stirn und blicken hinunter in die sich vor uns ausbreitende Wüste. Die Aussicht ist unbeschreiblich schön. Weiter oben in einigen sandigen Mulden steht ein wenig Wasser. Die Tümpel sind mit Kaulquappen bevölkert. Wir trinken vom sauberen Wasser, entkleiden uns und giessen einige Becher kühles Wasser über unsere erhitzten Körper. Das erfrischt herrlich. Neben einer schattigen Felswand setzen wir uns auf eine warme Felsplatte und geniessen die Aussicht. Erst als lange Schatten in die Wüste ragen steigen wir ab. Wind kommt auf. Im Schutz eines gewaltigen Granitblocks errichten wir unser Camp und geniessen den Abend unterm klaren Sternenhimmel.

Nachtfalter- und Schmetterling Invasion

Wir sind nicht alleine. Obwohl wir keine Lampe entzündet haben und im dunklen sitzen finden sich Hunderte Falter und Motten bei uns ein. Mit ihren langen Rüsseln saugen sie Feuchtigkeit und Obstsaft von unserm Tisch auf. Scheint man die Falter mit der Taschenlampe an, reflektieren die grossen Augen orangefarben zurück. Ein besonders schön gezeichneter Falter, ein Nachtpfauenauge, lässt frech seine lange Zunge in Joes Glas gleiten. Er trinkt ausgiebig vom roten Wein und flattert, wahrscheinlich glücklich beschwipst, zurück in die Nacht.
Als wir am Morgen unserer Zelt verlassen, haben sich auf dem Küchentisch und am Boden unzählige Nachtpfauenaugen niedergelassen. Eine phantastische Gelegenheit zum Fotografieren. Auch tagsüber sehen wir unendlich viele verschiedene Schmetterlinge, meist der rostbraune "African Monarch“, der grünweisse "African Migrant“, "Whitebarred Charaxes“ und "Brownveined White“. Wir bedauern, dass wir die Deutschen Namen nicht liefern können. Höchst selten sind eine solche Menge und Vielfalt an Faltern bei uns zu sehen.

Grüne und trockene Gebiete wechseln ab

Ein paar Kilometer weiter um den Brandberg herum ist kein Regen gefallen. Bare Steinflächen glänzen braun im Sonnenlicht. Wir fahren weiter Richtung Nordseite, an der trockenen Numas Schlucht vorbei. Ausser der urigen Welwitschia Pflanze und vereinzelte blattlose Balsambüsche gibt es keine Vegetation. Erst bei der Naibschlucht spriesst wieder frisches grün. Weit oben in den Felswänden der Schlucht hängen graue viel versprechende Wolken. Wir fahren in die Schlucht hinein. Bei einem Spaziergang haben wir das Glück einen kurzen Regenschauer bei helllichtem Sonnenschein zu erleben.

Das Ugab Revier

Auf holpriger Fahrt durch die zerrissenen Berge erreichen wir gegen Abend das breite Flussbett des Ugab. Man kann sehen, dass der Ugab vor nicht allzu langer Zeit Wasser geführt hat. Es gibt keine Autospuren im Flussbett. Wir müssen uns entscheiden. Vorwärts führt unser Weg einige Kilometer im Ugab Flussbett entlang. Sollten wir im feuchten Lehm stecken bleiben, kommen wir in die Nacht und der Fluss kann zu dieser Jahreszeit jederzeit erneut fluten. Wer weiss wie viel Regen im Einzugsgebiet des Ugab gefallen ist. Wir fahren lieber einige Kilometer zurück und stellen unser Camp in einem Seitental an einer vor Flutwellen sicheren Stelle auf. Wir haben das Gefühl eine gute Entscheidung getroffen zu haben, denn obwohl wir in der Nachmittagssonne braten, stehen in weiter Ferne Gewitterwolken. Blitze zucken und dunkelgraue Regenvorhänge gehen nieder. Nach einem dramatischen Sonnenuntergang verbringen wir einen herrlich lauen Abend und während der Nacht fallen kurze, sanfte Regenschauer.
Die Morgenluft ist frisch und klar, der Himmel tiefblau und beinahe wolkenlos. Nach dem Frühstück fahren wir erneut hinunter zum Ugab. Während der Nacht ist keine Flutwelle abgekommen und wir wollen die Durchfahrt wagen. Nach wenigen hundert Metern schlingert der Land Rover mehr und mehr. Der Untergrund des lehmig sandigen Flussbettes entpuppt sich als sehr nass und weich. Die Fahrt ist riskant und wir kehren doch lieber um. Es ist besser einige Kilometer Umweg zu fahren als stundenlang das schwere Fahrzeug aus dem nassen Lehm zu graben. Mit fremder Hilfe wäre in dieser einsamen Gegend auch nicht zu rechnen. Am frühen Nachmittag überqueren wir an einer anderen sicheren Stelle den Ugab.

Endlich finden wir die grüne Wüste

Wir passieren felsige, unwegsame Schluchten und durchqueren trockene, steinige Wüstenflächen. Unsere Fahrspur führt am schwarzbraunen Rand eines Kraters entlang. Plötzlich wird es wieder grün. Hier hat es letzte Nacht kräftig geregnet. Die Spur ist verspült, ja wir müssen sogar einige breite Wasserlaken durchfahren. Hinter jeder Biegung wird die Landschaft offener und grüner. Auf einer unendlich weiten Hochebene mit herrlichem Blick auf die umliegenden Berge halten wir an. So paradiesisch haben wir diese, sonst ganz und gar wasserlose Gegend noch nie gesehen. Überall steht frischgrünes Gras und Grüppchen von Zebras mit Fohlen, Springböcke, Oryxantilopen sowie einige Stausse bevölkern die Fläche. In Granitmulden hat sich Regenwasser gesammelt welches den Wildtieren als Tränke dient. Wir können uns nicht satt daran sehen, wie frisch geborene Springböcke mit aufgestellten Prunkhaaren, mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Höhe springen und in grossen Sätzen ausgelassen umher tollen. Es ist ganz unmöglich diese Szenen und die weite Landschaft in Fotos wirkungsvoll festzuhalten. In meiner Begeisterung sage ich spontan zu Joe, hier müssen wir unser Camp aufschlagen, etwas Schöneres gibt es nicht. Zugleich jedoch warnt die Vernunft. Die Sonne brennt erbarmungslos in dieser schattenlosen Gegend. Ein kräftiger Wind bläst, der nach Sonnenuntergang unangenehm werden wird. Nirgends gibt es ein schattiges oder windgeschütztes Plätzchen für unser Fahrzeug und das Zelt. Wir entschliessen uns dafür, im herrlichen Nachmittagslicht in langsamer Fahrt mit vielen Stopps die Natur zu geniessen und uns gegen Abend an einem geschützten Plätzchen nieder zu lassen.

Zur rechten Zeit an der richtigen Stelle

Wir biegen in einen trockenen, sehr steinigen Flusslauf ein. Auf dem Hügel zu unserer Rechten weiden Springböcke und Orxyantilopen. Abrupt stoppe ich den Land Rover. Joe und ich erspähen gleichzeitig einen Gepard der unweit vor uns die gegenüberliegende felsige Uferböschung vorsichtig erklimmt. Herrlich leuchtet das gefleckte Fell der hochbeinigen Raubkatze im Sonnenlicht. Parallel folgt ein zweiter Gepard dem Ersten. Am oberen Rand der Böschung blicken beide Geparde mit erhobenen Köpfen umher. Irgendwann lassen sie sich nieder. Gut getarnt blinzeln sie gelassen in die Abendsonne und beobachten ihre Umgebung.
Wir fahren weiter und überprüfen unterwegs eine künstliche Wasserstelle, deren defekten Zustand wir bereits vor über einem Jahr an die Naturschutz Behörde gemeldet hatten. Nichts wurde repariert.

2006 ist ein besonders prachtvolles Jahr um Namibia zu besuchen

Der breite sandige Goantagab Fluss ist gestern Abend noch kräftig geflossen. Das reissende Wasser hat seine Spuren hinterlassen ist aber bereits abgelaufen. Auf einer erhöhten Sandinsel inmitten des Flussbettes finden wir einen windgeschützten Platz, der nach drei Seiten von grossen Mopanebäumen umringt ist und verspricht am nächsten Morgen ausgiebig Schatten zu spenden. Die zweiteiligen schmetterlingsförmigen Mopaneblätter sind dieses Jahr besonders gross und üppig. Im Schlaf lauschen wir dem melodischen Ruf einer Zwergohreule.
Am Morgen verlassen wir durch eine felsige Schlucht den Goantagab und die Landschaft öffnet sich. Mit wogendem Gras bewachsene, sanft ansteigende Flächen breiten sich vor uns aus. Graziös schaukeln Hunderte weisse Schmetterlinge durch die Luft. Sie alle fliegen in dieselbe Richtung. Wir erreichen die roten Sanddünen. Mit gleichmässig schnurrendem Motor klettert unser Ländi stetig und zuverlässig auf dem tiefsandigen Pfad nach oben. Welch eine Aussicht! Die steinigen Hänge sind mit grünenden Büschchen bewachsen. Über den Sanddünen glänzt ein grüner Schimmer. Im Hintergrund erhebt sich klar und alles andere überragend das Brandberg Massiv. Am tiefblauen Himmel schweben weisse Wölkchen über den Gipfeln. Im roten Sand spriessen frisch die Blüten der intensiv lilafarbenen Teufelskralle. Auch andere Blumen blühen reichlich in vielfältiger Farbenpracht.

Unendlich zufrieden treten wir die Rückfahrt nach Windhoek an. 2006 ist ein besonders gutes Jahr für eine Reise nach Namibia. Wir können nur wünschen, dass viele von Euch herkommen um die prachtvolle Natur zu erleben.

Mit herzlichen Grüssen aus Namibia
von Uschi Kirchner & Joe Walter