ZUM ERSTEN MAL IN NAMIBIA
Ende
Juli fragt meine Jugendfreundin aus Deutschland an">
ZUM ERSTEN MAL IN NAMIBIA
Ende
Juli fragt meine Jugendfreundin aus Deutschland an, ob sie kurzfristig mit ihrem
Sohn für zwei Wochen
nach Namibia kommen kann. Und natürlich wollen die Beiden etwas vom Land sehen.
Der Termin passt gerade zwischen zwei Touren und rasch stellen wir eine
abenteuerliche Campingtour zusammen. Bis wir uns versehen landen die Beiden am
Windhoeker Flughafen. Von 30° C Hitze in Deutschland in den frischen
afrikanischen Winter. Frieren in Afrika - eine unerwartete Erfahrung.
Zuerst
werden die Überraschungen ausgepackt. Eine davon sind Schokoküsse aus
Deutschland, eine lange entbehrte Köstlichkeit und Erinnerung and die Jugend,
die trotz dem neuen fremden Namen vorzüglich schmeckt. Neuigkeiten werden
ausgetauscht und Fotos von alten Bekannten betrachtet. Die beiden Männer begeben
sich in die Garage und bauen die funkelnagelneu gespritzte Stossstange am Land
Rover an. Die restlichen Kisten und Taschen werden verstaut und verschnürt und
am nächsten Morgen in aller Frühe beginnt das Abenteuer. Die Beiden sind
Wildnisnovizen und gespannt was auf sie zukommt. Mutter und Sohns Devise ist:
"Wir machen alles mit, ihr müsst uns bloß sagen was von uns erwartet wird“.
Wie stellt man sich Afrika
vor?
Erstes Erstaunen verursacht,
dass Windhoek eine moderne, saubere Stadt mit gepflegten Gärten ist, dass sich
die Menschen modern kleiden und, dass hier im Stadtverkehr, genau wie in Europa,
einige der exklusivsten Automodelle rumkutschieren. Und, dass diese
Nobelkarossen vorwiegend Schwarzen gehören. So stellt man sich Afrika in Europa
im allgemeinen nicht vor! Auch, dass es im Supermarkt nahezu alles in großer
Auswahl zu kaufen gibt verblüfft unsere Gäste. Leider sind manche Waren nahezu
so teuer wie in Europa.
Die nächste Überraschung ist
die Weitläufigkeit unseres Landes. Kilometerweit ist kein Dorf, kein Haus oder
Gehöft zu erblicken. Trotz Trockenheit wirkt die Landschaft lieblich. Der Blick
gleitet über elegant geschwungene Bergketten, auf Inselberge und mit dichter
Vegetation gesäumte Reviere (Trockenflussläufe) die überall das Land
durchkreuzen.
Ein "Bett" zwischen
Granithügeln
Wir fahren Richtung Norden.
Gegen Abend wählen wir einen Platz zwischen Granitkuppen für unser Camp. Joe
rollt seine Bettrolle aus. Er schläft, wie so oft im Freien. Spontan werden wir
mit Fragen über Skorpione, Schlangen und andere potentiell gefährliche Kriech-
und Krabbeltiere überschüttet. Dass Joe seit vielen Jahrzehnten im Freien
übernachtet löscht nicht alle Zweifel aus und gerne wird das beschützende Zelt
aufgestellt. Nachdem etwas Feuerholz für die Kochstelle zusammengetragen wurde,
kündigen wir „Sundowner Zeit“ an. Jeder mit einem kühlen Bier in der Hand
erklimmen wir einen nahen Granithügel. Wir setzen uns auf die noch warmen Felsen
und betrachten die weite Landschaft im Schein der untergehenden Sonne. Unzählige
kleine Fliegen umschwirren und piesacken uns aber die verschwinden
glücklicherweise gleich nach Sonnenuntergang. Der unverkennbare keckernde Ruf
von Nachtgeckos durchdringt die abendliche Stille. Keiner kann sich dem Zauber
afrikanischer Nächte entziehen, der die Besucher umhüllt und eine ehrfürchtige
Ruhe ausstrahlt die Jeden unwillkürlich ergreift und in ihren Bann zieht.
Die ersten Wüstenelefanten
Die erste Zeltnacht ist heil
überstanden und nach dem Frühstück unternehmen wir zu Fuß eine informative
Exkursion durch die Hügel. Pflanzen und Gesteine werden erklärt und einige alte
Felszeichnungen betrachtet, die beweisen, dass die Gegend seit Urzeiten von
Menschen bewohnt wurde. Auf unserer anschließenden Fahrt am Aba Huab entlang
entdecken wir zwischen den stattlichen Anabäumen (Faidherbia albida)
einige Wüstenelefantenbullen.
Die Dickhäuter wandern zügig
Flussaufwärts. Wir fahren einige Kilometer voraus und erklettern einen Hügel am
Ufer des Aba Huab. Von einem großen Felsbrocken aus haben wir einen guten
Überblick. Die Elefanten ziehen unten im Flussbett entlang und wir können sie
hervorragend und lange vor einer landschaftlich herrlichen Kulisse beobachten.
Auch später haben wir Glück.
Am Huab Trockenfluss entdecken wir weitere Elefanten die unter schattigen Bäumen
rasten. In Familiengruppen stehen sie zusammen, fächeln sich mit den gewaltigen
Ohren kühlende Luft zu und werfen mit den Rüsseln beiläufig Staub über ihre
Körper.
Sind wir schon
buschtauglich?
Wir stoppen bei einer
Kommune am Huab Ufer und füllen am Bohrloch unsere Wasserkanister auf bevor wir
in die Mikberge weiterfahren. Die offizielle Piste haben wir längst verlassen
und fahren in einem namenlosen sandigen Flusslauf bergan. Unterwegs erfahren
unsere Gäste welches Holz für das Kochen auf dem Campfeuer geeignet ist und gute
Hitze spendet und welches man besser gar nicht einsammelt, weil’s für die Küche
nicht taugt. Wie entfacht man schnell und einfach ein Campfeuer? Wie, wann und
wo müssen die Sonnenkollektoren aufgestellt und ausgerichtet werden, damit der
Autokühlschrank immer zuverlässig funktioniert? Die Landkarten werden studiert
und Orientierung im Gelände geübt. Auch über den Umgang mit einem GPS gibt’s
eine Lektion.
4 x 4 Fahrstunden
Für Constantin beginnt nun
der aufregendste Teil der Reise. Er darf zum ersten Mal ein Allradfahrzeug
selber steuern. Gelassen nimmt Joe den knapp 16-jährigen unter seine Fittiche
und weiht ihn täglich für ein paar Stunden in die Tricks und Kniffe des Fahrens
in unwegsamen Gelände ein. Die Mutter hält zuweilen den Atem an und vergisst
schon mal einen Satz zu beenden wenn das Fahrzeug im steilen Gelände kräftig
schaukelt. Ich versuche sie zu beschwichtigen: "Keine Panik - ist alles im
Grünen Bereich“. "Du hast gut Reden, ich sitze ja auf der Seite mit dem Abgrund“
kommt die Antwort, gefolgt von belustigtem Grinsen auf den vorderen Sitzen. Zur
Auflockerung besteigen wir einen Berg von wo wir die weite Aussicht genießen
können. Zu Fuß unternehmen wir diverse Exkursionen im Gelände. Wir besuchen
einsame Höhlen deren Wände mit kunstvollen Felszeichnungen verziert sind sowie
Stätten mit gravierten Felsplatten. Gelegentlich kreuzen Oryxantilopen, Strauße
und Springböcke unseren Weg.
Die Nachttemperaturen sind
empfindlich kühl. Die Tage dagegen sonnig und angenehm warm. Unsere Gäste
stellen erstaunt fest, dass man hier tagelang keiner Menschenseele begegnet und,
dass sich hinter jedem Höhenzug immer noch mehr weitgehend unberührte
Landstriche vor uns ausbreiten.
Skulpturen in Stein
Am Abend stellen wir unsere
Zelte in einer kleinen Rinne mit weichem Sand auf. Über uns thronen gewaltige
Sandsteinformationen, die wir am folgenden Morgen zu Fuß erkunden. Wie kolossale
Wellen oder gigantische Pilze türmen sich die Felswände um uns herum auf. Viel
zu oft drücken wir auf die Auslöser der Kameras. Das Morgenlicht bietet ideale
Verhältnisse zum fotografieren. Bei einem alten Brunnen binden wir einen Eimer
an ein Seil, lassen ihn in die Tiefe fallen und ziehen frisches Wasser nach
oben. Wir füllen all unsere Trinkwasserbehälter auf. Bei einer Fahrt tief in die
Berge finden wir ein Rinnsal, dass wie ein mini Wasserfall sanft über eine
Felskante plätschert.
Der natürliche Badeort lädt zur willkommenen und ausgiebigen Körperpflege ein.
Weiter unterhalb rieselt das Bächlein in eine tiefe, sehr eindrucksvolle
Schlucht.
Wieder im Huab entdecken wir
Kudus und als Krönung präsentiert sich ein ausgewachsener Kudubulle mit
prächtigem Gehörn in tadelloser Fotopose. Weiter führt unsere Fahrt durch eine
Schlucht mit beeindruckenden Basaltwänden und anschließend zu einer Stelle mit
stattlichen versteinerten Baumriesen.
Break-down in der Wildnis
In der Nähe vom Doroskrater
betrachten wir von Wildtieren gescharrte Wasserlöcher in einem sandigen
Revierbett. Zurück beim Land Rover vernehmen wir deutlich beunruhigende
Geräusche aus dem Motorraum, die auch vorher schon mal schwach hörbar waren. Bei
offener Motorhaube lauschen wir und rätseln was wohl verkehrt sein könnte. Es
gibt verschiedene Möglichkeiten. Wir müssen eine Entscheidung treffen. Entweder
fahren wir weiter in einsame Gebiete und riskieren einen ernstlichen Schaden
oder wir fahren vorsichtig, solange das Auto noch läuft in Richtig Zivilisation.
Wir entscheiden uns für Letzteres. Die nächste Autowerkstatt befindet sich in
Swakopmund, von unserer jetzigen Position etwa zwei Tagesreisen entfernt. So
schonend wie es das holprige Gelände erlaubt fahren wir weiter. Wir durchqueren
den Ugab Trockenfluss und in der Abenddämmerung stellen wir unser Camp irgendwo
am Rande der zerrissenen Berge auf.
Auf dem Weg zur Küste
unternehmen wir noch einige Streifzüge ins Gelände um seltene Pflanzen und
interessante Gesteine anzusehen. Wir stoppen ebenso bei den weltbekannten
Flechtenfeldern.
Rasantes Dünenrutschen
Wir erreichen Swakopmund. In
einer Werkstatt wird der Land Rover überprüft und ein Lager ausgetauscht, jedoch
das Geräusch bleibt. Ein weiteres Ersatzteil muss besorgt werden und deshalb
beziehen wir erstmal das Ferienhäuschen unserer Freundin aus Windhoek, die uns
freundlicherweise die Schlüssel überlassen hat. Hier wollten wir am Ende der
Tour ohnehin ein paar Tage verbringen. Joe fährt später zur Werkstatt zurück,
während wir die Stadt besichtigen, den Woermann Turm besteigen und die weite
Aussicht über den Ort, das Meer und die Umgebung bewundern. Beim Shopping
erstehen wir fein gepresstes Speiseöl welches aus den Kernen der Narafrucht
gepresst wird, die von den Topnar im Kuiseb gesammelt werden. Diese edle
Spezialität eignet sich hervorragend als Mitbringsel für die daheim gebliebenen.
Inzwischen ist Joe zurück und das Auto läuft wieder störungsfrei. Wir fahren
hinaus zu den Sanddünen, die sich zwischen Swakopmund und Walvisbay ausbreiten.
Der Aufstieg ist anstrengend der Ausblick jedoch lohnend. Am Fuße einer Düne
entdecken wir eine gut getarnte Sandvieper (Bitis peringueyi). Als die
kurze Schlange uns wahrnimmt flüchtet sie blitzschnell über den Sand und gräbt
sich anschließend mit schwingenden Körperbewegungen im Sand ein. Nur noch ein
kleiner Teil des Kopfes schaut hervor. Am Nachmittag besuchen wir das Aquarium,
das Aufschluss über die vor der Küste und in den Gewässern des Atlantiks
vorkommenden Lebewesen vermittelt.
Einmal fahren wir noch zu
den Dünen hinaus. Auf einem Sandbrett liegend kann man herrlich vom Dünenkamm
ins Tal flitzen. Eine Freizeitbeschäftigung die hier gerne von Jung und Alt
ausgeübt wird. Es empfiehlt sich dabei den Mund geschlossen zu halten.
Wir suchen Schutz vor Wind,
Kälte und Nebel
Wir setzten die
unterbrochene Reise fort. Unterwegs stoppen wir beim Kadaver von einem an den
Strand bespülten Wal. Die Größe des Meeressäugers ist eindrucksvoll. In
Hentiesbay sehen wir dem wilden Spiel der Wellen zu. Am Kreuzkap statten wir der
populären Pelzrobbenkolonie einen Besuch ab. Beim Picknick am Sandstrand lassen
wir uns noch einmal den frischen Wind um die Nasen wehen und die eiskalten
Fluten des Atlantiks umspülen unsere nackten Füße. Wir fahren Richtung Osten,
weg vom Ozean und hinein in die Wüste. An den steilen Uferwänden eines
Trockenflusses fotografieren wir Kalkretegebilde und eindrucksvolle Exemplare
Welwitschia Pflanzen bevor wir den Messum Krater erreichen. Der Südwestwind ist
uns gefolgt und bläst stark und kühl. Wenn wir’s gemütlich haben wollen, müssen
wir einen windgeschützten Lagerplatz für die Nacht finden. Diesen bietet eine
auf halber Höhe gelegene Felsengrotte. "Kann man da mit dem Land Rover
hinauffahren“: fragen unsere Gäste ungläubig. Klar, meint Joe, legt einen
kleinen Gang ein und tuckert langsam den Felshang empor. Während unsere Freunde
den Atem anhalten, wendet Joe den Land Rover oben auf dem winzigen Plateau vor
der Grotte damit wir leichter Ausladen können. Bald sind die Schlafstellen
eingerichtet und ein Campfeuerchen entfacht. Die lodernden Flammen beleuchten
die bizarren Granitgebilde und geben unserer Behausung ein gemütliches Ambiente.
Bei einem Glas Rotwein lassen wir die Abendstimmung und die Weite des Kraters
auf uns einwirken. Rötliche Zirruswölkchen schmücken den sich rasch
verfinsternden Himmel. Die hellsten Sterne können wir bereits erkennen. Rums,
kracht es neben uns in der Stille. Wir fahren zusammen. Joe purzelt samt
Campingstuhl ein Stückchen den steilen Hang hinunter. Der Berghang ist wohl doch
ein wenig zu abfallend zum Sitzen obwohl böse Zungen hinterher behaupten der
Rotwein war Schuld!? Außer dem Spott trägt Joe einen deftigen blauen Flecken
davon.
Buschtauglich!
Frühmorgens, als wir unser
Köpfe aus den Schlafsäcken recken versperrt Nebel unsere Sicht. Joe hat schon
heißen Kaffee aufgebrüht und Tee aufgegossen. Dankbar nehmen wir die heißen
Getränke in Empfang. Die Nebelfetzen ziehen schnell fort. Bis die Ausrüstung
verstaut ist strahlt blauer Himmel über uns. Wir fahren zum so genannten
"Kratersee", eine mit Salz verkrustete Fläche mit einem voluminösen Felsblock im
Zentrum. Wir suchen Kristalle, halten Ausschau nach lohnenden Fotomotiven und
betrachten interessante Pflanzen und Flechten. Auf der Weiterfahrt besichtigen
wir alte Steinkreise, etliche Felszeichnungen und eine verborgene Wasserstelle.
Im Revier finden wir das frisch abgenagte Skelett eines Springbocks, jedoch
keine eindeutigen Spuren die den Jäger verraten. Das Gelände öffnet sich
allmählich und der gewaltige Brandberg erhebt sich vor uns aus der Fläche.
Constantin darf noch mal bis zur Schotterstrasse den Land Rover fahren. Er hat
viel von Joe gelernt und würde natürlich gerne länger bleiben um sich den letzen
Schliff zur Buschtauglichkeit anzueignen. Doch die Schulpflicht in Deutschland
ruft. Ein letztes Wildniscamp mit Blick auf den Brandberg beendet den Namibia
Aufenthalt, der gewiss nicht der Letzte sein wird, wie uns versichert wird.
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